Novemberblues

09. 11. 2015 | Literarisches, Philosophie | 0 Kommentare

Schlacksige Sehne zwischen Spätsommergefühlen und Winterblues.
Ein Kackmonat.
Ein Kackmonat, der sich bislang nicht einmal die Mühe macht, seinem schlechten Ruf gerecht zu werden. Sondern trotzig einen schönen Sonnentag nach dem anderen raushaut, als hätte es dieses Jahr davon nicht ohnehin schon viel zu viele gegeben. Und fast ist man ja geneigt, dass man gar nicht mehr zetern kann, über das räudige Dreckswetter hier, und dass man am liebsten in den Süden fliehen möchte. Wenn man genau hinsieht, und die Tage hochzählt, ist die Ziellinie in Sicht und ich ertappe mich dabei, wie ich die Frage nach einem Fazit für dieses Jahr wie ein exotisches Bonbon testend im Mund hin und her schiebe.
Schmeckt es süß?
Oder kommt der Chilligeschmack durch?
Etwas Schokoladenaroma ist auch drin und irgendein hinterpfotziger Pfeffer, und der Speichel sammelt sich unter der Zunge und fast vergesse ich zu schlucken.
Eiserner Contenance sei Dank beherrsche ich mich aber und spucke das Ding nicht quer durch den Raum.
Sondern konzentriere mich.

Das Leben zwingt mich, hinzuschauen. Ich würde mich gerne mehr ablenken, das Unausweichliche noch etwas aufschieben und mich der trügerischen Sicherheit des vermeintlich Beständigen hingeben. Aber die Muster wiederholen sich, immer schneller und deutlicher und wenn man einmal hinter den Vorhang geblickt hat kann man das nicht mehr vergessen. Manchmal muss man erst loslassen um etwas Neues zu erhalten.

Wer das nicht glaubt, braucht sich nur die Natur anzusehen. Die Bäume müssen im Winter ihre alten Kleider verlieren, damit sie im Frühling neue bekommen können. Nun gibt’s da die eine Sorte Baum, die an einem schönen Herbstsonntag in einer leichten Prise ihre alten Blätter rosenblütenregengleich gen Boden segeln lässt, als wäre Rosamunde Pilcher persönlich zum Ästeschütteln in die Wipfel geklettert. So herrlich anzusehen, dass einem die Romantikdrüsen platzen. Die anderen sind jene Bäume, denen scharfe Herbststürme mit roher Gewalt das letzte Blättchen von den Zweigen reißen. Das hat dann immer was von Mel Gibsons Passion Christi, wenn Jesus mit der Widerhakenpeitsche gegeißelt wird und Blut und Fleischstücke munter durchs Bild spritzen.

Und dann gibt es da noch die Nadelbäume. Das sind quasi die Entwicklungsverweigerer im Wald, die sehen äußerlich immer schön aus, verdorren aber stetig von innen nach außen und irgendwann reißt der Wind sie um und sie enden als Käferparadies. Und ein Käferparadies möchte ich nun beim besten Willen nicht sein, man stelle sich das vor, ein zerlöchertes Herz, aus dem ein Käferhintern ragt, lustige wackelnde Fühler, Socken an den kleinen Beinchen. Dann lieber ein stolzer, nackter Laubbaum, oder, lassen wir den Stolz weg, ein nackter Laubbaum. Mit nichts als dem Urvertrauen ausgestattet, dass ihm im Frühling wieder die Sonnenstrahlen ins Gewebe kriechen und ihn mit allem ausstatten was er braucht, um wieder zu leuchten.
Fast wünsche ich mir, dass das Wetter endlich umschlägt, es ordentlich graupelt und strömt und sich die Kälte ins Haus und in die Knochen stiehlt und ich mich am Ärger wärmen kann. Einstweilen muss ich mich jedoch scheinds mit den Sonnenstrahlen begnügen.

Kackmonat.

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