Über das Begrüßen

16. 06. 2011 | Erkenntnisse | 0 Kommentare

Ich bin im Münchner Nachtleben mit Studien-Kommilitonen unterwegs. Eine dieser Touren durch die Stadt, von Kneipe zu Club und wieder in eine Kneipe, die wie selbstverständlich alle immer in der Milchbar enden. Es sind auch Mädchen dabei und zum Abschied reicht man sich die Hand, berührt mit seiner Wange die des Gegenübers, erst die eine Seite, dann die andere. Und küsst dabei die Luft. Bis heute habe ich mich noch nicht recht mit diesem Bussi-Bussi, der sogenannten Akkolade, anfreunden können. Immer wenn ich es tue, komme ich mir plump und ungelenk vor, als fehle mir die Leichtigkeit dieser südländischen Geste.
Vielleicht reichen die italienischen Wurzeln doch nicht weit genug ins Jetzt.

Ein Händedruck ist mir da schon bedeutend lieber, kräftig muss er aber sein, das will ich hier betonen. Da gibt es nichts faderes als einen weichen, schlaffen Gegendruck, ich bin versucht, meinen Schüttelpartner sofort abzuwerten, wenn er das nicht ordentlich hinbekommt, und zwar unabhängig von seinem Geschlecht. Nirgends steht, dass Frauen nicht fest zudrücken und nur lasch herumkneten dürfen.

Und dann das Umarmen. Ich halte das für eine ehrliche warmherzige Geste, vor allem unter Männern. Ironischerweise bekomme ich es mit einigen meiner besten Freunde hier vom Lande nicht einmal hin, ihnen bei Begrüßung oder Abschied die Hand zu reichen, geschweige denn, sie zu umarmen. Warum das so ist? Auch ausgiebiges Nachdenken brachte keine befriedigende Antwort. Es muss irgendetwas mit dem landbevölklerischem Unwillen nach Nähe zu tun haben. Beobachtet in einer beliebigen Kirche hier im provinzialen Voralpenland, was geschieht, wenn der Pfarrer zum Friedensgruß per Handschlag auffordert. Vor allem auf der Männerseite werden plötzlich alle sehr verlegen, hoffen inbrünstig, dass der Nebenmann keine Anstalten macht, sich herzudrehen und fordernd seine Hand herüberstreckt, oftmals hilft man sich durch verbissenes und leeres Geradeausstarren, auf dass dieser unangenehme Kelch rasch an einem vorübergehe.
Fast scheint es, als schwinge etwas ländliches in der Angst vor der Körpernähe mit, denn wo ich es bei den alten Spezln und Jugendfreunden nicht hinbekomme, ist es bei den Zuagroaßten oder auch Kollegen aus der Stadt viel einfacher. Da herzt man sich, fällt sich in die Arme und das mindeste ist ein schön-kräftiger Händedruck, bei jeder Begrüßung, bei jedem Abschied.

Daneben befinde ich es übrigens für außerordentlich schade, dass sich der klassische Handkuss der vermeintlichen Gesellschaftstauglichkeit derart entzogen hat. Ich kann meinen männlichen Lesern nur ins Gewissen reden, bei nächster sich bietender Gelegenheit die Hand der zu grüßenden oder zu verabschiedenden Dame zu ergreifen, sie an die Lippen zu führen und ihr einen Kuss auf den Handrücken zu hauchen. Wohlgemerkt, ohne sie dabei tatsächlich zu berühren, denn das wiederum gilt als unhöflich. Die schiere Galanterie dieser Geste halte ich für zeit-, die dadurch ausgedrückte Ehrbekundung für eine beeindruckende Frau grenzenlos.

Das Bussi-Bussi kann dabei nicht mithalten. Außer, man „missbraucht“ es für einen gezielten Angriff auf die Lippen der oder des Auserwählten, indem man seinen Kopf im richtigen Moment auf Konfrontationskurs dreht.
Und das blaue Auge dann mit den Eiswürfeln des nächsten Drinks abkühlt.
Wir verstehen uns.

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