Seit einer Woche ist gefühlt ganz Rosenheim nebst Umland im Ausnahmezustand. Denn das Herbstfest findet statt. Gerade hat die „sympathische Wiesn“ ihr zweites Wochenende hinter sich und steuert auf ihren Endspurt zu.
Die Fotos in den Zeitungen oder auf den sozialen Kanälen zeigen lachende Menschen in bunten Trachten, die vor dem Riesenrad posieren oder Maßkrüge schwenken. Lokalprominenz und -politiker, die in der Menge baden. Friede-Freude-Lebkuchen.
Was die Bilder in der Regel nicht zeigen: besinnungslos Betrunkene, Schlägereien, grantige Gesichter, die um Biertische kämpfen, grantige Türsteher, die aus dem Bild der sympathischen Wiesn nicht mehr wegzudenken sind.
Ich bin kein Moralapostel, Gott bewahre, das könnte ich mir mit meinen eigenen Ausschweifungen niemals erlauben. Aber wenn ich sehe, wie sich Menschtrauben um Mitternacht, nachdem die Bierzelte dicht gemacht haben, vor den einschlägigen und natürlich völlig überfüllten Bars der Stadt sammeln, darum betteln, Eintritt zahlen zu dürfen für etwas, was das den Rest des Jahres keinen kostet, während daneben eine Gruppe Asylbewerber mit großen Augen und völlig verstört am Getümmel vorbeizieht, dreht es mir den Magen um. Und das liegt nicht am Alkohol.
Niemand von uns muss sich hinstellen und sagen: „Oh, die Welt ist so schlecht, jetzt muss ich es mir auch schlecht gehen lassen“. Niemandem sei Spaß und Zerstreuung verwehrt. Aber die Wiesn zeigt exemplarisch, wie uns eine medial aufgeblasene, völlig überteuerte Massenveranstaltung als großes Gemeinschaftserlebnis mit deftiger Mia-san-mia-Garnitur verkauft wird. Bei dem man für zwei Wochen die Sorgen und Nöte der Menschheit in schunkelnder Bierseeligkeit ertränken kann.
Ich gestehe: mir fällt keine Lösung, kein Masterplan ein. Außer vielleicht, die Wiesn dieser Welt zukünftig einfach zu boykottieren. Ich sträube mich auch zu raten, die kleinen Vermögen, die in den Proseccozelten und Hypodroms für edle Puffbrause und Bier verjubelt werden, stattdessen an Flüchtlinge und Arme zu spenden. Das wäre zwar ein hehrer Ansatz, aber mir ist die ihm inne wohnende Naivität durchaus bewusst, so funktionieren wir Menschen einfach nicht.
Am Ende bleibt nur die Sehnsucht nach einem kollektiven Umdenken. Und zumindest da schöpfe ich Hoffnung, schon ein Blick auf meinen unmittelbaren Freundes- und Bekanntenkreis offenbart eine jährlich wachsende Wiesnmüdigkeit. Vielleicht ist die oft beschworene, kritische Masse Andersdenkender doch erreichbar und wir laufen bald wieder nackt, mit Blumenkränzen im Haar, über die begrünte Lorettowiese.
Prost.
Du hast mit diesen ziemlich interessanten Gedanken und eindrucksvoll-echten Beschreibungen den Nagel auf den Kopf getroffen: wäre schön, wenn sich mehr und mehr Köpfe erreicht fühlten und ein anders-denken seinen Platz findet:
hope, love, peace….