Sommersonnwende

17. 09. 2017 | Philosophie | 0 Kommentare

Zwei Tage bevor Du in mein Leben gekommen bist habe ich Tinder gelöscht und resigniert den festen Entschluss gefasst, diesen Sommer alleine zu verbringen.

Du hast mich wie ein plötzliches Gewitter an einem heißen Sommertag überrascht, als wir uns auf dieser Filmpremiere über den Weg gelaufen sind. Wir beide wussten nicht so recht was wir hier machten und musterten uns heimlich gegenseitig. Du hast an diesem Abend wunderschön ausgesehen in Deinem edlen Abendkleid, mit den streng nach hinten gebundenen Haaren, Deiner süßen Stupsnase und den leuchtenden, unergründlichen Augen. Für mich war klar, Du warst ein Mädchen weit über meiner Gehaltsklasse und als ich den Ehering an Deinem Finger erspähte, wurdest Du noch unerreichbarer für mich. Doch der Zufall wollte, dass wir im Kino nebeneinander saßen und dass die Klimaanlage eher schlecht als recht funktionierte. Es war heiß und immer wieder berührten sich unsere bloßen Arme bis ich mir sicher war, dass es sich nicht mehr um Zufall handeln konnte.

Leider konntest Du nicht auf die Aftershow-Party mitkommen und ich hätte bei unserer Abschieds-Umarmung schon schwören können, dass Du das sehr bereut hast. Du hast es mir dann bestätigt, als ich noch in der selben Nacht Deinen Namen gegoogelt, Deine Website gefunden und Dich angeschrieben habe und Du mir zu meiner maßlosen Freude am nächsten Morgen geantwortet hast.

Da war etwas Besonderes zwischen uns, das wir beide gespürt haben. Dennoch habe ich anfangs gezögert, als hätte ich bereits geahnt, wohin das alles führen würde. Und so war es Dir und Deiner Initiative zu verdanken, dass wir uns nur einen Abend später und mitten in der Nacht bei Dir getroffen, Wein getrunken und bis zum Morgengrauen miteinander geredet und philosophiert haben. Nie zuvor war mir eine Frau begegnet, die mir auf so vielen Ebenen entsprochen hat wie Du. Ich musste mich bei Dir nicht verstellen und fühlte mich in Deiner Gegenwart gleichzeitig geborgen und aufgeregt. Und die ganze Zeit über konnte ich es kaum fassen wie wunderschön Du bist und dass Du Dich mit mir abgibst. Wir sprachen über Gott und die Welt. Über unser Leben, unsere Wirrungen, Spiritualität, Musik, Filme, über Kinder und über Deine festgefahrene Ehe und die erst vor kurzem überstandene Auszeit, die jedoch nichts zum Besseren gewendet hat.

Als wir uns zum Abschied geküsst haben, wurden meine Knie so weich dass ich mich an Deinen Schreibtisch lehnen musste um nicht zu Boden zu sinken. Ich war mir sicher, dass hier etwas zusammengefunden hatte, das sich schon ganz ganz lange gesucht hat. Du fragtest mich noch am selben Abend im Scherz ob ich Deine Affäre sein möchte. Und ich sagte ja. Vielleicht war dies bereits der Anfang vom Ende. Vielleicht war es auch unser zweites und letztes Treffen, wieder bei Dir, wieder bin ich fast die ganze Nacht geblieben und diesmal haben der Wein und die Atmosphäre dazu geführt dass wir miteinander geschlafen haben. Ich wünschte, ich wäre damals standhafter gewesen. Obwohl ich mir sicher bin, dass ich Dir ohnehin nicht hätte widerstehen können. Unsere Körper wussten in dieser Nacht genau dass sie zusammen gehören und haben den Verstand einfach ausgetrickst.

Diese Nacht ist nun vier Monate her. Vier Monate, in denen wir uns nicht mehr gesehen haben. Ein einsamer Sommer, obwohl ich immer wieder versucht habe, mich von Dir abzulenken, andere Frauen getroffen und sie dabei verletzt habe, weil Du allen Platz in meinem Kopf beansprucht hast. Die ersten Wochen hatte ich noch Deinen Duft in der Nase, aber irgendwann konnte ich ihn nicht mehr festhalten und er verflog. Doch die Erinnerung an Dich wollte nicht vergehen. Du hast es mir auch nicht leicht gemacht, hast mir immer wieder geschrieben, mir Bilder von Dir geschickt, mir Hoffnung gemacht dass Du mich bald wieder sehen wolltest, mich hingehalten und weil es sich für mich nie wie ein Hinhalten angefühlt hat, habe ich mitgespielt. Weil ich herausfinden wollte, warum wir uns über den Weg laufen mussten. Ich, der ich fest daran glaube, dass keine Begegnung umsonst ist, kann sich bis heute nicht erklären, was das zwischen uns war. Ich denke nicht, dass ich mich in Dich verliebt habe. Liebe, die oder den einen zu finden, das sollte sich leichter anfühlen und unkomplizierter gebärden. Wenn man füreinander gemacht ist, dann fügen sich die Umstände und verbiegen sich die Widerstände. Doch zwischen uns, da ist etwas viel tieferes, eine uralte Verbindung, wie ein Versprechen oder eine Affäre mit dem Schicksal.

Vielleicht waren wir beide in unterschiedliche Richtungen unterwegs, obwohl ich für Dich so gerne meinen Kurs geändert hätte.
Vielleicht ist der Grund, warum wir beide uns getroffen haben, aber auch die Erkenntnis, dass es da draußen jemanden gibt, der auf der selben Welle reitet ohne den anderen vom Brett zu stoßen. Was zwar ein recht verfickter Grund wäre, aber zumindest einer, der tröstet. Und ganz vielleicht soll es mich Geduld lehren. Oder Loslassen.
Ich hasse es wenn der Lehrplan schwammig formuliert ist.

Wo immer Du jetzt bist, ich wünsche Dir ein allzeit scheinendes Licht, Kraft und dass immer jemand da ist, der Dir aufhilft wenn Du fällst.

Letzteres hätte ich gerne übernommen.

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